Bring them home now!

Am 5. Oktober organisierte die Initiative 7. Oktober gemeinsam mit uns und anderen Gruppen eine Kundgebung zum zweiten Jahrestages des genozidialen Massakers vom 7. Oktober 2023 in Israel. Unter dem Titel “Zwei Jahre 7. Oktober – Dem Antisemitismus entgegen!” versammelt sich über 100 Antifaschist*innen, um den Opfern und Hinterbliebenen zu Gedenken und an das antisemitische Massaker zu erinnern. Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag.

Wir bedanken uns bei der Initiative 7. Oktober für diese Gedenkveranstaltung. Denn es zeigt sich leider immer wieder und vor allem seit dem genozidalen Massaker vom 07. Oktober 2023, dass ein konsequenter Kampf gegen wirklich jeden Antisemitismus eine Kernaufgabe von emanzipatorischer Politik sein muss!

Solidarität mit Juden und Jüd*innen ist in der radikalen Linken ein marginalisiertes Thema. Schlimmer noch: weite Teile von der radikalen bis zur sozialdemokratischen Linken reproduzieren immer wieder antisemitische Denkweisen. Gerade deshalb ist es so unerlässlich, dass wir uns als Teil der radikalen Linken selbstkritisch fragen, was unsere Ansprüche, Möglichkeiten und Perspektiven in Zeiten sind, in denen wir wieder antisemitische Gewalt auf Weltniveau erleben.

Als Antifa-Gruppe wollen wir linksradikale Perspektiven schaffen, die nicht nur kritisieren und Abwehrkämpfe führen, sondern einen Ausblick auf eine befreite und solidarische Gesellschaft – auch ohne Antisemitismus – geben. Doch welche Perspektiven können wir nach dem 7. Oktober, dem größten Massaker an Juden und Jüd*innen seit der Shoah, schaffen? Wie können wir der Eskalation von immer aggressiverem Antisemitismus und Antizionismus entgegentreten?

Wir müssen daran erinnern, was war und was gerade ist – eine Gedenkkultur aufbauen und stärken, die an die vergangenen antisemitischen Verbrechen und Gewalt erinnert und Juden und Jüd*innen als den Betroffenen dieser Gewalt eine Stimme geben. Das heißt, Betroffenengeschichten zu erzählen und ihre Perspektive auf die antisemitische Gewalt hervorzuheben. Sich an die Shoah zu erinnern löst in Deutschland oftmals großes Unbehagen aus. Schuldabwehr spielt dabei eine zentrale Rolle. Und genau deswegen ist es so wichtig die Präzendenzlosigkeit der Shoah und ihre Aktualität für eine antifaschistische Erinnerungskultur immer wieder zu betonen. Denn wir haben als Teil dieser Gesellschaft gegenwärtig eine Verantwortung daran, dass das, was war, nie wieder passiert und dass die Stimmen der Opfer und Betroffenen weitergertagen werden.

In Zeiten zunehmender Angriffe auf Synagogen, Gedenkorte und Museen, sei es durch linke, rechte oder islamistische Gruppierungen, muss solidarische und laute politische Zusammenarbeit mit Juden und Jüd*Innen aufgebaut werden. Dabei muss auch klar sein, dass der Kampf gegen Antisemitismus nicht gegen andere Kämpfe, wie zum Beispiel dem gegen Rassismus und das daraus entstehende Leiden, ausgespielt werden darf. Abschiebungen, Angriffe auf das Versammlungsrecht, Polizeigewalt und der Mythos vom sogenannten “importierten Antisemitismus” sind rassistische Scheiße und haben nichts, wirklich nichts mit einem emanzipatorischen Kampf gegen Judenhass zu tun. Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus muss Hand in Hand gehen, wenn er erfolgreich sein will.
Deshalb stehen wir an der Seite der Israelis und Palästinenser*innen, die sich für Frieden, Freiheit und das Recht auf demokratische Selbstbestimmung für alle Menschen in der Region einsetzen. Sie sind es, die eine Zukunft in der Region, die nicht auf Hass und Gewalt fußt, denkbar machen – und nicht der Größteil der sogenannten “pro-palästinensischen” Demos in Deutschland.

Einer von ihnen, der für so eine Zukunft kämpfte, war Hersh, der vor etwas mehr als einem Jahr von der Hamas mit weiteren Geiseln ermordet wurde. Hersh hatte sich in Israel gegen Rassismus und Queerfeindlichkeit eingesetzt. Er war glühender Hapeol Jerusalem und Werder Bremen Fan. Noch kurz vor seiner Entführung durch die Hamas vom Nova-Festival hatte er auf der Fusion gefeiert. Der Gedanke an sein Leiden und sein Tod macht uns traurig und wütend! Hersh, may your memory be a revolution!

Jede Form von Antisemtismus muss bekämpft werden: Wir stehen hier in Frankfurt und können als radikale Linke vor allem vor Ort arbeiten. Wenn Geisel-Plakate abgerissen werden, Demos antisemitische Slogans skandieren und selbst in autonomen Zentren Hamas-Propaganda an Wände getaggt wird, müssen wir konsequent dagegen halten. Das heißt wir müssen uns aktiv gegen Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft und in linken Bewegungen stellen. Das heißt auch, sich nicht anzubiedern, kompromisslos zu bleiben und ja im Zweifel halt in der Unterzahl zu sein. Die antisemitismuskritische Linke muss dazu, wie es die Initiative 7. Oktober in ihrem Gründungstext passend formuliueren, Bündnisse schmieden und antifaschistischen Selbstschutz stärken!

An dem tödlichen Angriff auf die Synagoge in Manchester sehen wir, wie gefährlich die Konsequenz von Antisemitismus letztlich ist: Antisemitismus ist Gewalt gegen Juden und Jüd*innen. Noch vor vier Monaten waren in Manchester antisemitische Graffitis an jüdischen und israelischen Einrichtungen in der Stadt aufgetaucht, zu denen sich eine pro- palästinensische Gruppe bekannte. Direkte Folge solcher Hetze ist nun die Ermordung von zwei Juden.

Zum Abschluss sagen wir: Es ist an der Zeit den Kopf wieder anzuschalten und gegen dieses Deutschland zu kämpfen! Den Deutschland ist ein Teil des Problems und nicht der Lösung. Wir stehen deshalb heute hier in Frankfurt um unsere Solidarität mit den Betroffenen und Hinterbliebenden der Opfer des 7. Oktober deutlich zu machen. 48 Juden und Jüd*innen sind seit 2 Jahren als Geiseln in Gaza. Viele von ihnen sind bereits tot, ermordert von der Hamas und ihren Verbündeten. Deshalb wollen wir mit der zentralen Forderung der Geisel-Familien enden, die in Israel für eine Rückkehr der Geiseln, ein Ende des Krieges und gegen Netanjahus Regierung kämpfen: BRING THEM HOME NOW!