Fragmentarisches zu antisemitischem Terror, Krieg und den Reaktionen

I. Am 7. Oktober 2023 verübte die islamistische Terrororganisation Hamas zusammen mit dem Islamischer Dschihad in Palästina (PIJ), aber auch Gruppen mit linkem Selbstverständnis wie der PFLP oder der DFLP, ein Massaker im Süden Israels mit dem Ziel, so viele Jüd*innen wie möglich zu ermorden. Wir trauern um die über 1.200 Menschen, die an diesem Tag ermordet wurden. Die Brutalität des Anschlags zeigte sich nicht nur an den vielen Todesopfern, sondern auch in der übermäßig misogynen Gewalt und Folter. Noch immer sind 135 von 250 Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt. An keinem Tag seit der Shoah wurden derart viele jüdische Menschen an einem Tag ermordet. Ein antisemitisches Massaker, das als solches benannt werden muss.

II. Die Hamas ist eine islamistisch-dschihadistische, faschistoide Organisation, die den Gaza-Streifen seit den letzten Wahlen 2006 diktatorisch beherrscht. Sie führt keinen legitimen Befreiungskampf, sondern terrorisiert auch die Palästinenser*innen im Gaza-Streifen und verschanzt sich selbst unter zivilen Einrichtungen. Die Hamas hat keine emanzipatorische soziale Revolution zum Ziel, sondern eine Expansion ihres islamistischen Regimes. Sie vertritt Antifeminismus, Queerfeindlichkeit und einen aggressiven Vernichtungsantisemitismus. Kein Wunder, dass sie vom iranischen Regime und vom türkischen Despoten Erdogan unterstützt wird.

III. Die Reaktionen der globalen Linken offenbarten vielfach ein grauenhaft verkürztes Verständnis von Antiimperialismus und Dekolonialismus: Viel zu oft wurde der antisemitische Hamas-Terror in öffentlichen Stellungnahmen relativiert, blieb unerwähnt, wurde klammheimlich oder offen begrüßt oder gar gefeiert. Verkürzt ist dieser Antiimperialismus und Dekolonialismus deshalb, weil er kein materialistisches Verständnis von Imperialismus und Kolonialismus entwickelt, sondern die Welt pauschal in Gut und Böse unterteilt. Darin zeigt sich immer wieder: Die globale Linke hat ein Antisemitismus-Problem.

IV. Linke Positionen, die sich glaubhaft von Islamismus abgrenzen oder Solidarität mit Jüd*innen bekunden, sind die Minderheit und sehen sich illegitimerweise pauschalen Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Dadurch wird Antisemitismuskritik abgewehrt und das Problem eines linken Antisemitismus ignoriert. Auf diese Art und Weise werden Antisemitismus und Rassismus gegeneinander ausgespielt.

V. Schon eine Woche nach dem Hamas-Massaker, am 14.10., rief Aitak Barani (Kommunistische Organisation/Free Palestine) zu einer Demo in Frankfurt auf, die die antisemitischen Mörderbanden der Hamas offen feierte. Vor laufenden Fernsehkameras verteidigte sie das Massaker. Die KO-Vorfeldorganisation Studis gegen rechte Hetze sowie Migrantifa Rhein-Main beteiligten sich an ihrem antisemitischen Aufruf, auch die Gruppe SemraFam schloss sich der Demo an. Daran anschließend organisierten die genannten Gruppen sowie das MLKP-Vorfeld aus Young Struggle, Zora und Pride Rebellion ebenfalls antisemitische Demos. Bei der auch am 14.10. stattfindenden Gedenkkundgebung der Jüdischen Gemeinde fanden sich nur wenige Linke ein.

VI. Israel reagierte auf das Massaker der Hamas und den weiterhin bestehenden Raketenbeschuss aus umliegenden Regionen mit der erwarteten Gegenoffensive aus der Luft und am Boden. Die Folgen dieser Gegenoffensive wurden von der Hamas einkalkuliert. Tausende Zivilist*innen im Gaza-Streifen werden seitdem getötet. Hunderttausende Menschen fliehen beiderseits der Grenze vor dem Krieg. Wir trauern um die zivilen Opfer im Gazastreifen und stellen uns gegen die Relativierung des Leidens. Wir kritisieren, dass die israelische Armee bei ihren Angriffen gegen die Hamas diese zivilen Opfer in Kauf nimmt. Wir fordern von der Hamas die sofortige Freilassung der israelischen Geiseln, um einen beidseitigen Waffenstillstand zu ermöglichen.

VII. Der Krieg ist auch ein Krieg um Deutungshoheit. Auf Sozialen Medien werden Desinformation und alternative Fakten breit gestreut, gerade auch in linken Kanälen. Die Instagram-Kachel-Flut verspricht, die Wahrheit zu zeigen, bildet dabei aber vielfach verfälschte oder bewusst manipulierte Inhalte ab. Auch undifferenzierte Pressearbeit fördert diese Desinformation. Dass in Kriegen jegliche Informationen interessegeleitet verbreitet werden, wissen wir. Doch uns bestürzt, wie sehr auch in linken Kreisen ganz bewusst ungefilterte oder manipulative Inhalte geteilt werden – und dass es sogar rechte, verschwörungsideologische oder islamistische Posts auf linke Instagram-Seiten schaffen, wenn bloß die Inhalte ins eigene Weltbild zu passen scheinen.

VIII. Eine Welle antisemitischer Gewalt geht durchs Land. Ein Brandanschlag auf eine Berliner Synagoge, Farbschmierereien am Hochbunker an der Friedberger Anlage, dem Standort der einstigen Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft, die in den Novemberpogromen zerstört wurde, Markierungen jüdischer Wohn- und Geschäftshäuser mit Davidsternen – derartige Taten dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Die Verurteilung und Kritik solcher Taten in der Linken ist erschreckend niedrig.

IX. Das deutsche Bürgertum instrumentalisiert seine vorgeschobene Israelsolidarität vielfach zur Durchsetzung rassistischer Politiken: So überbieten sich Politiker*innen bürgerlicher Parteien mit Forderungen nach Einschränkungen des Versammlungs- und Aufenthaltsrechts, zum Beispiel nach rigorosen Abschiebungen. Dafür gibt es Applaus von Rechtsaußen. Dass sich wenige Wochen nach dem Antisemitismus-Skandal um Bayerns stellvertretenden Ministerpräsidenten Aiwanger die deutschen Konservativen als antisemitismuskritisch darstellen, ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Das Gerede vom „importierten Antisemitismus“ dient nur dazu, den deutschen Antisemitismus und die eigene Schuld zu verschleiern.

X. Nationale Befreiungsbewegungen sind eine verständliche Praxis in einer staatlich organisierten Welt, doch können sie nicht die letzte Antwort sein, da sie noch keine sozialrevolutionäre Perspektive eröffnen. Jüd*innen haben ein Recht auf demokratische Selbstbestimmung, die sich im Staat Israel manifestiert, sowie dessen notwendiger Verteidigung. Deshalb muss Zionismus auch als jüdische Emanzipation in Reaktion auf Shoah und globalen Antisemitismus verstanden werden; Jüd*innen sind in Israel keine Kolonisator*innen. Auch Palästinenser*innen haben ein Recht auf demokratische Selbstbestimmung, ein Leben in Freiheit und friedliche Koexistenz mit ihren Nachbar*innen. Der Antizionismus auf palästinensischer Seite und die rechten Regierungen in Israel stehen dem Frieden im Weg. Dieser ist ausschließlich ohne die Hamas denkbar.

XI. Das Erstarken des Islamismus darf nicht bloß als kulturell-religiöse Strömung des Islam verstanden oder als verständliche Reaktion auf Politiken des Westens verharmlost werden. Tatsächlich ist Islamismus eine rechte Ideologie und politische Praxis zur autoritären Krisenlösung innerhalb der kapitalistischen Gegenwart. Die islamistische Rechte ist eine Leerstelle antifaschistischer Politik. Gerade in Frankfurt, wo mehrere Organisationen der islamistischen Rechten ansässig sind, gilt es verstärkt, dieser Bedrohung entgegenzutreten. Eine radikale Linke muss eine gemeinsame solidarische Praxis gegen islamistische Gewalt entwickeln.

XII. Wir müssen eingestehen, dass wir zu lange linke Gruppen mit antisemitischen Positionen auf Demonstrationen und in Bündnissen toleriert haben. Es kann keine Zusammenarbeit mit linken Antisemit*innen geben. Gruppen, die die antisemitische Gewalt vom 7. Oktober verharmlosen oder gutheißen, sind nicht zu tolerieren. Sie sind auf unseren Veranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen nicht willkommen. Wir werden unsere politische Praxis gegen Antisemitismus ausbauen, neue Bündnisse suchen und den antifaschistischen Selbstschutz gegen Antisemit*innen stärken. Antifaschismus bedeutet Kampf gegen jeden Antisemitismus!