Gegen den christlichen Fundamentalismus!

Hier dokumentieren wir unseren Redebeitrag gegen christlichen Fundamentalismus, den wir am 23. Oktober auf der Demo “Safe Abortion – Gemeinsam gegen AbtreibungsgegenerInnen!” gehalten haben.

Wir stehen heute hier auf der Straße, um laut gegen christliche FundamentalistInnen zu protestieren. Wir stehen heute hier, um darauf aufmerksam zu machen, dass Fundis nicht nur verrückte SpinnerInnen sind, die religiösen Mist in der Welt verbreiten. Wir stehen heute hier, um deutlich zu machen, dass christlicher Fundamentalismus eine ernstzunehmende Ideologie ist, die uns als FLINTAs, Queere Menschen, People of Colour, Muslime, Jüd*innen, Linke und Kommunist*innen aktiv bedroht. 

Grundpfeiler der christlich fundamentalistischen Ideologie, egal ob aus der katholischen oder der evangelischen Kirche, sind Antifeminismus, Homophobie, und die Betonung der traditionellen Kernfamilie als Grundform der Gesellschaft. In vielen Ländern sind Fundis maßgebliche Player für reaktionäre und menschenverachtende Politik. Ganz oben auf der Liste stehen dabei der Kampf gegen Abtreibungen, gegen gleichgeschlechtlichte Ehen oder die rechtliche Anerkennung von Transpersonen, sowie der Kampf gegen Kommunist*innen und Linke. 

Christliche FundamentalistInnen haben weltweit oft mehr Einfluss, als man in der Regel denkt. Sie sind vernetzt, haben jede Menge Geld und verbreiten ihre Überzeugungen mittlerweile häufig in den höchsten politischen Ebenen vieler Länder. Diese gezielte Einflussnahme auf Parlamente und Regierungen hält sich in Deutschland noch in Grenzen – auch wenn die AfD seit einigen Jahren verstärkt versucht, sich mit Hilfe von Fundis und entlang ihrer gesellschaftlichen und politischen Überzeugungen dementsprechend aufzustellen. Dafür sucht sie sich häufig Inspiration in anderen Ländern, in denen Fundis in konservativen und rechten Kreisen bereits politisch etabliert sind.

In den USA hat eine Koalition aus christlichen Rechten und Fundis rekrutiert und hat in den letzten Jahrezehnten deutlich an Einfluss auf die US-amerikanische Politik gewonnen. Wichtige innenpolitische Ziele sind das Verbot von gleichgeschlechtlichen Ehen, das Abtreibungsverbot und die Lehre der biblischen Schöpfungsgeschichte anstatt der Darwin’schen Evolutionstheorie in der Schule, um eine vermeintlich christlich-protestantisch geprägte “Leitkultur” wieder herzustellen. Die politische Strategie der amerikanischen Fundis und christlichen Rechten basiert vor allem auf der Unterstützung von republikanischen Präsidentschaftskandidaten wie George W. Bush oder Donald Trump und der Infiltrierung der republikanischen Partei auf lokalen und regionalen Ebenen. Diese Strategie hat sich bewährt, denn die RichterInnen, die Trump auf anraten von Fundis für den Supreme Court ernannte, haben in diesem Jahr das Urteil von Roe vs. Wade, das Schwangerschaftsabbrüche auf bundesweiter Ebene möglich macht, gekippt. 

In Europa laufen die Fäden von Fundis in der Politik in der sogenannten Agenda Europe zusammen: Dieses ultrakonservative Netzwerk hat sich seit 2013 die “Wiederherstellung der natürlichen Ordnung” auf die Fahnen geschrieben. Grundstein dieser Ordnung sei die Einschränkung des Rechts auf Abtreibung und körperlicher Selbstbestimmung. Gleichezeitig argumentiert das Netzwerk, dass die Religionsfreiheit ihnen erlauben sollte, von Regeln zu Hetze, Hassreden und Diskriminierung ausgenommen zu sein. Denn Hetze, Hass und Diskriminierung im Namen der Religion sollten durch diese Freiheit geschützt sein. Die Agenda Europa hat in den letzten zehn Jahren durch ihren Einfluss beispielsweise die sehr restriktiven Abtreibungsverbote in Polen und Spanien vorgeschlagen und mitformuliert. Diese Politik wird maßgeblich aus der christlichen Rechten in den USA, reichen KlimawandelleugnerInnen und russischen OligarchInnen finanziert, was darauf hindeutet, dass ein immer weitreichenderes Netzwerk von reichen, konservativen christlichen Menschen bereit ist, eine fundamentalistische Reaktion voranzutreiben. 

Das deutlichste Beispiel für die Verschränkung von christlichem Fundamentalismus und Politik ist Brasilien: mit Jair Bolsonaro wurde ein Vertreter der Evangelikalen zum Präsident gewählt. Und nicht nur das, viele Mitglieder der evangelikalen und katholischen Kirchen sind Mitglieder in Parlamenten und kommunalen politischen Strukturen. Sie nutzen ihre Reichweite nicht nur, um religiöse Botschaften zu verbreiten, sondern auch um einen moralischen und politischen Anspruch auf die Gesellschaft geltend zu machen. 

Für PolitikerInnen der AfD gilt diese Verschränkung von christlichem Fundamentalismus und Politik als Vorbild. So beispielsweise die ehemalige brasilianische Ministerin für Frauen, Familie und Menschenrechte, die eine bekannte Abtreibungsgegnerin ist und der sogenannanten Gender-Ideologie mit Hilfe ihres Amtes den Kampf ansagt. Ihre eigentliche Aufgabe, die Stärkung der Rechte von FLINTA zu vertreten, verkehrt sie somit in ein perverses Gegenteil. Und wenn ein brasilianischer Außenminister davon spricht, sich in seinem politischen Amt gegen den “Globalismus” und den sogenannten “Kulturmarxismus” zu engagieren, wird deutlich, dass diese Ideen des christlichen Fundamentalismus keine Randerscheinungen irgendwelcher religiöser SpinnerInnen sind, sondern diese Hand in Hand mit Verschwörungsideologien und rechter Hetze gehen. 

Wir stehen heute hier, weil der zunehmende Einfluss von christlichen FundamentalistInnen und christlichen Rechten weltweit zunimmt! Um diesen zurückdrängen zu können, müssen wir auch Fundis als Problem wahrnehmen und nicht nur als religiöse SpinnerInnen. Christlicher Fundamentalismus, der sich unter Berufung auf die Kriche und die Religion als bürgerlich und gesellschaftsnah tarnt, muss in seiner Nähe zu rechten und rechtsextremen Strukturen aufgedeckt werden. Die Verbreitung von antiemanzipatorischen und menschenverachtenden Ansichten in der ungestörten Ruhe einer Kirche muss kritisiert und verhindert werden. Gleichzeitig muss der politische Einfluss von Fundis und christlichen Rechten zurückgedrängt werden, indem wir uns für eine strikte Trennung von Staat und Kirche einsetzen. 

Wir stehen heute hier, weil der Antifeminismus von AbtreibungsgegnerInnen der gemeinsame Nenner zwischen Fundis und Rechten ist. Diese Vernetzung stellt aber eine Gefahr für FLINTAs, PoC, Queere und alle anderen Personen dar, die nicht in das hetereonormative, weiße Schema passen. Personen mit Uterus, die selbst entscheiden, ob, wann und mit wem sie Kinder bekommen, bedrohen für die fundamentalistische Weltsicht die Gesellschaft. Sie wollen unsere Rechte auf körperliche Selbstbestimmung, selbstgewählte Lebensweisen und Partner*innen ausradieren. Aber wir lassen uns nicht  zum Schweigen bringen und wir lassen uns auch nicht einschüchtern. Wir weden weiterhin laut und mit vielen das Recht auf köperliche Selbstbestimmung, das Recht auf sichere Schwangerschaftsabbrüche fordern! Über eine Schwangerschaft oder ihren Abbruch hat keine Kirche, kein Staat und erst recht keine Gruppe radikalisierter AbtreibungsgegnerInnen zu entscheiden!

Ob Kinder oder keine – entscheiden wir alleine!