Am 17. und 18. Juni wollte die Allgemeine Deutsche Bruschenschaft 175 Jahre Nationalversammlung in Frankfurt feiern. Wir riefen zu antifaschistischen Gegenprotesten auf. Die Burschis sagten daraufhin zwar ihre “Feier” in der Paulskirch ab, hielt aber dennoch ihr Symposium im Logenhaus zur Einigkeit ab. Mit 150 Antifaschist*innen gingen wir deshalb an dem Samstag auf die Straße, um gegen die Veranstaltung dieser misogynen Männerbünde zu demonstrieren. Am Sonntag wollten die Burschis dann entspannt in einem Restaurant in Bockenheim feiern – auch diese Veranstaltung begleiteten wir kritisch mit dutzenden Antifaschist*innen. Unsere Rede zu den Protesten dokumentieren wir hier.
Fest steht: Für eine Kritik von links am Verbindungswesen ist Feminismus notwendig. Denn deutsche Burschenschaften können ohne patriarchale Einstellungen nicht existieren. Ganz vorne mit am Start bei der sexistischen Männerkacke ist die Allgemeine Deutsche Burschenschaft (kurz: ADB), die dieses Wochenende hier in Frankfurt tagt. Sie besitzt insbesondere im konservativen und rechten Parteiwesen wie der CDU und der AfD großen Einfluss, das gesamtgesellschaftlich gerade wieder stärker wird [1]. Unsere Antwort auf die Anwesenheit der Burschis in Frankfurt muss sich daher explizit gegen ihr misogynes Frauenbild widmen.
Auf ihren Überzeugungen im 19. Jahrhundert hängengeblieben, werden FLINTA*s in der ADB getreu des “männerbündischen Prinzips” zwar nicht offiziell ausgeschlossen. Doch stehen sie in der Hierarchie ganz unten. Markiert als “schmückendes Beiwerk” oder “Dame” müssen sie ihrer Funktion als Ehepartnerin, Mutter und Hausfrau gerecht werden. Sprich: sie sind die Begleitung des männlichen Mitglieds, ohne dabei gleichberechtigt im Verband teilhaben zu dürfen. FLINTA*s bleiben viele Praktiken verwehrt (wie Fechten, Trinken, Führungspositionen einnehmen, etc.), da diese mit “typisch männlichen” Attributen (Härte, Standhaftigkeit, Wehrhaftigkeit und Opferbereitschaft [2]) konnotiert sind. Hier wird ein rein binäres Geschlechterbild aufrechterhalten, das jede Emanzipation verhindert – im Verband und in der gesamten Gesellschaft. Diese Einstellungen stehen in einer Linie mit denen, die die Deutsche Burschenschaft (von der sich die ADB erst 2016 abspaltete) bereits vor hundert Jahren vertrat: Damals kämpften sie gegen das Frauenwahlrecht, den Zugang von Frauen zu Hochschulen und – wie auch heute noch – gegen die politische Gleichstellung der Geschlechter.
Im Weiblichkeitsbild der ADB haben FLINTA*s bloß die Aufgabe, den “deutschen Volkskörper” zu gebären und zu beschützen. Sie dienen damit dem Mann, der das “Vaterland” verteidigt [3]. Daraus folgt offene Misogynie. So wurde auf dem 6. Burschentag der ADB von Josef Kraus [4] eine schwunghafte Rede unter tosendem Applaus über die Gefahren von Abtreibung, Genderismus und sog. “Hypertoleranz” [5] gehalten. FLINTA*s (in ihrer Rolle als Gebärende) werden somit nur aufgrund ihres biologischen Körpers in eine spezifische Rolle gedrängt. Diese Überzeugungen und Geschlechterbilder werden dabei auch von Frauen vertreten, die aus Anerkennung-, Gemeinschafts-, oder Karrieregründen oder einfach aus ideologischen Überzeugungen heraus Mitglieder von Damenverbindungen werden [6]. Das Ziel ist und bleibt auch hier, die heterosexistischen und nationalen Traditionen weiterzugeben und zu erhalten.
Speziell in der ADB, aber auch anderen deutschen Korporationen und Damenverbindungen, werden für ein elitäres Gemeinschaftsgefühl alle diejenigen ausgegrenzt, die den naturalisierenden Vorstellungen von Geschlecht nicht entsprechen. Außerdem wird Misogynie in Verbindung mit völkischem Nationalismus offen gefeiert (so spricht die ADB in ihrem Grundsatzprogramm von einem “volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff” [7]) – ganz so, wie man es von der extremen Rechten gewohnt ist. Da ist es kein Wunder, dass der Schulterschluss mit der AfD nicht weit ist: Zum Beispiel publizieren AfD-Politiker im ADB-Verbandsorgan „Der Burschenschafter“ oder sind Alte Herren und Mitglieder bei der ABD (wie der muslim*innenfeindliche und rassistische AfD-Politiker Albrecht Glaser). Darüber hinaus geht die Zusammenarbeit noch tiefer ins Spektrum der extremen Rechten: so schaltet die ADB Anzeigen zum Mitgliedererweb in der “Krautzone” (Identitäre Bewegung nahe Zeitung).
Klar ist: Die feministischen und intersektionalen Kämpfe und Errungenschaften der vergangenen und hoffentlich kommenden Jahrzehnte stehen in direktem Gegensatz zu den männlichen und völkischen Grundsätzen der ADB und anderen Korporationen. Dafür müssen wir die unterdrückenden Männlichkeitsideale der Burschis aufzeigen, darüber aufzuklären und alternative Lebensentwürfe zu stärken. Die Aufgabe einer antifaschistisch-feministischen Bewegung muss es daher auch sein, Burschenschaftler und Korporationen kontinuierlich zu bekämpfen, ihnen ihre Orte in Stadt und Universität streitig zu machen, ihnen Hüte und Bänder zu klauen. Keinen Fußbreit den Burschis!
In diesem Sinne wollen wir heute gemeinsam Männerehren kränken, den Burschentag versenken und misogyne Männerbündnisse crashen!
[1] so liegt die AfD bundesweit in Umfragen im Juni 2023 bei knapp 18 Prozent: vgl.: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/politbarometer-projektion-afd-fluechtlinge-100.html
[2] vgl. Kurth, Alexandra/Weidinger, Bernd (2017): Burschenschaften: Geschichte, Politik und Ideologie. Unter: https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/256889/burschenschaften-geschichte-politik-und-ideologie/
[3] vgl. ADB Grundsätze Artikel 6. Unter: https://allgemeine-burschenschaft.de/unsere-grundsaetze; AStA Universität Frankfurt (2017): Autoritär – Elitär – Reaktionär. Reader zur Verbindungskritik. Berlin: Conrad. 60-61.
[4] ein von Burschenschaften vielgefeierter, offen rechter “Bildungstheoretiker” (vgl. Dokumentieren gegen Rechts 2019: Ein ausführlicher Thread über Josef Kraus. Unter: https://bkramer.noblogs.org/ein-ausfuehrlicher-thread-ueber-josef-kraus/)
[5] Fischer, Leonard/Vogt Johannes (2021): Die deutsche Verbrüderung. In: akrützel (unter: https://www.akruetzel.de/2021/11/24/die-deutsche-verbruederung/)
[6] Entsprechend äußert sich ein Mitglied der Bavaria Auria in einem Interview wie folgt: “Es ist uns wichtig als Frauen aufzutreten und sich auch entsprechend zu verhalten. […] Wir wollen nicht als Mannweiber rüberkommen, sondern als weiblich” (vgl. reporter 2023)
[7] wie [3].