Zum Safe-Abortion-Day 2022 haben wir gemeinsam mit FfeM, dem Feministischen Streikkollektiv und Kritik&Praxis eine Kundgebung organisiert, die Teil der Kampagne “Safe Abortion und körperliche Selbstbestimmung – Für Alle, jederzeit und überall!” war. Unseren Redebeitrag dokumentieren wir hier.
Wir stehen heute am Safe-Abortion-Day hier vor profamilia, um den langjährigen Kampf um körperliche Selbstbestimmung fortzuführen. Dabei sind wir es so satt, Jahr um Jahr dafür zu kämpfen. Denn was sollte selbstverständlicher sein, als über den eigenen Körper zu bestimmen?!
Die Abschaffung des §219a StGB im Juni diesen Jahres ist das Ergebnis langjähriger feministischer Kämpfe – und sicher nicht ihr Ende! Diese Gesetzesänderung wurde von linksliberaler Seite bejubelt, doch noch gibt es keinen Grund zu jubeln! Denn die Abschaffung des jahrzehntelang umstrittenen §219a StGB, der das Verbot von Werbung für Schwangerschaftsabbrüche regelt, ist längst überfällig. Es gibt keine Werbung für Schwangerschaftsabbrüche! Die Ärzt*innen, die durch den Paragraphen verfolgt wurden, haben dringend notwendige Aufklärungsarbeit über Abtreibung in Deutschland geleistet. Auch wenn es hierzulande theoretisch die Möglichkeit für einen Abbruch gibt, haben viele Schwangere keinen bzw. einen sehr erschwerten Zugang. Denn Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nach wie vor rechtswidrig und nur in bestimmten Situationen straffrei. Wir fordern daher die Abschaffung des §218 StGB und damit die vollumfängliche Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland und überall!
Während also Tage wie heute eine wichtige Errungenschaft feministischer Kämpfe sind, müssen wir uns zugleich immer auch mit denen beschäftigen, die aktiv gegen uns arbeiten. Von bürgerlich-konservativer über christlich-fundamentalistischer bis offen rechtsradikaler Seite werden unsere Selbstbestimmungsrechte mit Füßen getreten. Der reaktionäre Rollback zeigte sich zuletzt in den USA und Polen. Doch es gibt ihn auch direkt vor unserer eigenen Haustür. Ob in Offenbach oder in Frankfurt – kirchliche und fundamentalistische AbtreibungsgegnerInnen betreiben Hetze gegen körperliche Selbstbestimmung. Dabei ist ihr Handeln rücksichtslos und gefährlich, und ihre Kontakte reichen weit in das extrem rechte Milieu hinein.
Eine besonders penetrante Form der Hetze betreiben die Mitglieder der Initiative “40 Tage für das Leben”, die zwei Mal jährlich und ganz aktuell seit heute wieder ihre so genannten Mahnwachen vor profamilia halten werden. Seit heute und bis zum 6. November werden sie jeden Tag von 13Uhr bis um viertel nach drei sowie von halb acht bis halb neun hier an diesem Ort zahllose Gebete sprechen und singen und Bilder von Föten in die Höhe halten und damit die Betroffenen auf ihrem Weg zum verpflichtenden Beratungsgespräch belästigen. Das ist ihre Art und Weise, gegen Schwangerschaftsabbrüche zu hetzen und ihre patriarchalen und reaktionären Gesellschaftsbilder zu propagieren. Das wollen und werden wir nicht unkommentiert stattfinden lassen!
Die Gründungsversammlung des hiesigen Ablegers der Initiative “40 Tage für das Leben” fand dabei in der Offenbacher kroatisch-katholischen Gemeinde in der Marienstraße statt. Der dortige Pfarrer, Tomislav Dukovic, will seine Gemeinde offenbar auf den „rechten Pfad“ des katholischen Glaubens führen. Er ist immer wieder dadurch aufgefallen, dass er nationalistische Politiker und Publizisten in die Offenbacher Gemeinde eingeladen hat und auch keinen Halt vor Holocaustleugnung macht. So wurde in der Gemeinde im Frühjahr 2016 die Pseudodokumentation „Jasenovac – die Wahrheit“ gezeigt, die durch zahlreiche Falschbehauptungen und Bildfälschungen behauptet, dass es sich beim größten Konzentartionslager der Ustascha – also der kroatisch-faschistischen Bewegung zur Zeit des Zweiten Weltkriegs – im Ort Jasenovac nicht um ein Vernichtungslager gehandelt habe.
Auch der Gründer des Deutschen Ablegers von “40 Tage für das Leben”, Boris D. hat Verbindungen in die extreme Rechte. Er war früher gewalttätiger Hooligan und Funktionär einer kroatischen faschistischen Partei.
Und auch in die deutsche Rechte haben Mitglieder der Gemeinde Verbindungen. Der Frankfurter Rechtsanwalt Tomislav Cunovic, der unseres Wissens nach die sogenannten “Mahnwachen” hier an diesem Ort organisiert, hat Kontakte zu ultrakonservativen Netzwerken und außerdem Verbindungen zur kroatischen Organisiation “Im Namen der Familie”. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, wohin ultrakonservtive Propaganda führen kann: Denn diese Organisation hat mit dazu beigetragen, dass seit einer Volksabstimmung 2013 in Kroatien die Ehe verfassungsrechtlich nur zwischen Mann und Frau bestehen kann.
Diese absurden Verhältnisse lassen wir nicht unkommentiert! Seit Jahren widersetzen sich antifaschistische und feministische Gruppen und Initiativen gegen diese Hassprediger*innen mit verschiedenen Aktionen vor Ort. In diesem Jahr tragen wir den Kampf auch vor ihre Tore, denn die Gemeinde der Fundis sitzt unweit vom Offenbacher Stadtzentrum: Wir laden daher am 23. Oktober zur feministischen und antifaschistischen Demo auf dem Wilhelmsplatz in Offenbach ein, um lautstark zu verkünden: Körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ist nicht verhandelbar! Über eine Schwangerschaft oder ihren Abbruch hat keine Kirche, kein Staat und erst recht keine Gruppe radikalisierter AbtreibungsgegnerInnen zu entscheiden! Alle Schwangeren müssen das Recht auf und den Zugang zu einem selbstbestimmten, sicheren und kostenfreien Schwangerschaftsabbruch haben.
Ob Kinder oder keine – entscheiden wir alleine!