Unser Redebeitrag von der Demonstration der Kampagne Kein Einzelfall anlässlich des “NSU 2.0”-Prozessauftakts am 12. Februar 2022.
Und wieder stehen wir auf der Straße, um unsere Solidarität zu bekunden mit den Betroffenen von rechten Drohungen und rechter Gewalt. Anlass diesmal ist die Serie von Drohschreiben des sogenannten „NSU 2.0“. In der kommenden Woche beginnt der Prozess und wie so oft bei derartigen Gerichtsverfahren steht ein vermeintlicher Einzeltäter vor Gericht. Er soll der einzige sein, der die teilweise nur Behörden bekannten Kontaktinformationen der Betroffenen herausfand und die Drohschreiben im Alleingang verfasste und verschickte.
Diese hanebüchene Erzählung von Polizei und Staatsanwaltschaft, es handele sich – mal wieder – lediglich um einen allein handelnden Einzeltäter, soll offensichtlich die öffentliche Aufmerksamkeit von den Verstrickungen von Polizist*innen in rechte Netzwerke ablenken. So wird schon wieder nicht über strukturellen Rassismus geredet, sondern die Einzeltäter-These verbreitet.
Die Ausmaße der vermeintlichen Einzelfälle in den vermeintlichen Sicherheitsbehörden lassen sich längst kaum noch überblicken. Ob es sich um falsch herum aufgehängte Deutschlandfahnen an einem Polizeirevier in Schlüchtern am Holocaust-Gedenktag handelt oder um die Alltäglichkeit von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt: Hessen, Du hast ein Polizeiproblem!
So kam es wenig überraschend, dass im vergangenen Sommer das SEK in Frankfurt im Zuge eines Nazi-Skandals aufgelöst werden musste. Grund dafür war allerdings kaum, dass nach dem „NSU 2.0“ flächendeckende Untersuchungen über FaschistInnen in den Sicherheitsbehörden angestellt wurden – vielmehr handelte es sich um einen Zufallstreffer: Im Zuge von Ermittlungen zu Darstellungen von Kindesmissbrauch war bekannt geworden, dass sich Dutzende SEK-Beamte an neonazistischen Chatgruppen beteiligten. Dies nötigte den hessischen Innenminister Peter Beuth letztendlich dazu, das Frankfurter SEK aufzulösen.
Gleichzeitig nimmt die autoritäre Formierung ihren weiteren Lauf: Staatliche Repression gegen Linke nimmt merklich zu, wie es hier in Frankfurt vor allem im Nachgang des 1. Mai und der BAFA-Blockade zu spüren ist. Die Möglichkeiten der Polizei werden durch Militarisierung, technische Neuerungen und spezialisierte Einheiten immer größer. Während die Polizei in ihrer Alltagspraxis nicht selten Recht und Gesetz bricht – und damit vor Gericht zumeist durchkommt –, werden die rechtlichen Befugnisse der Polizei durch neue Versammlungs- und Polizeigesetze immer stärker ausgeweitet. So wird durch das neue Versammlungsgesetz NRW effektiv ein Versammlungsverhinderungsgesetz geschaffen, das Anmelder*innen von Demos unverhältnismäßige Auflagen aufbürdet.
Wir kennen das Pfefferspray in unseren Augen, die Polizeiknüppel in unseren Rippen und das Gefühl der Ohnmacht im Angesicht des Wasserwerfers. Linke Aktivist*innen, migrantisierte Menschen und andere marginalisierte Gruppen sind seit jeher ungerechtfertigter Polizeigewalt ausgesetzt. Doch in den letzten Jahren sehen wir uns mit einem neuen Problem konfrontiert: Faschisten aus den Sicherheitsbehörden bewaffnen sich auch privat, organisieren sich in Nordkreuz-Chatgruppen und Uniter-Vereinen, legen Waffendepots an oder verfassen Drohschreiben.
Doch wir kämpfen weiter für eine befreite Gesellschaft jenseits von Staat und dessen Repression! Wir sind solidarisch mit allen Betroffenen von neonazistischer Gewalt und rassistischer Polizeipraxis. Insbesondere solidarisieren wir uns mit den Betroffenen der „NSU 2.0“-Drohschreiben und werden den Prozess genau beobachten.
Solidarität ist unsere Waffe!
Alerta antifascista!