Gründungserklärung der Initiative 7. Oktober – Antifaschistisches Netzwerk gegen Antisemitismus Rhein/Main
Am 7. Oktober 2023 begangen die Hamas und ihre Verbündeten das größte antisemitische Massaker seit der Shoah. In trauriger Deutlichkeit hat dieser Tag gezeigt, welche vernichtende Wirkmacht der Antisemitismus im 21. Jahrhundert noch immer entfalten kann. Über 1.200 Menschen wurden ermordet, weil sie Jüd*innen waren oder für Jüd*innen gehalten wurden. Mindestens 240 Menschen wurden als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt. Viele von ihnen werden dort bis zum heutigen Tag von der Hamas gefangen gehalten.
In den Wochen danach wurde weltweit sichtbar, welch Mobilisierungskraft die antisemitische Ideologie für Demonstrationen besitzt. Das Massaker wurde relativiert oder gerechtfertigt, die misogynen Gewalttaten der Hamas verschwiegen und es kam zu Angriffen auf jüdische Menschen und Einrichtungen. Doch anstatt sich mit Jüd*innen zu solidarisieren und sich der Welle der antisemitischen Gewalt entgegenzustellen, schwieg der Großteil der globalen und deutschen Linken. Es dauerte nicht lange, da waren die ersten Linken sogar auf Demos Seite an Seite mit bekannten Antisemit*innen, erklärten Israel zum Hauptschuldigen oder gleich zum absolut Bösen, beschuldigten Israel eines Genozides und forderten die Vernichtung des jüdischen Staates.
Als Zusammenhang von antifaschistischen und linken Einzelpersonen und Gruppen hat uns das Schweigen und das so deutliche zu Tage treten des Antisemitismus von links entsetzt. Denn für uns ist und war seit langem klar: der Kampf um eine befreite Gesellschaft ist nicht zu trennen von dem Kampf gegen Antisemitismus. Deswegen organisierten wir am 22. November eine Kundgebung auf dem Platz der Alten Oper unter dem Titel „Für einen linken Konsens – Gegen jeden Antisemitismus“. Über 500 Menschen folgt an diesem Abend unserem Aufruf. Neben dem Verband Jüdischer Studierender Hessen, dem Antifaschistischen Kollektiv 069, der Antifaschistischen Basisgruppe Frankfurt am Main/Offenbach, Solarium – kommunistische Gruppe Bremen und der Linken Liste sprachen auch Franziska Haug, Benjamin Orthmeyer sowie jüdische Einzelpersonen an diesem Abend. In allen Beiträgen wurde dabei deutlich, dass die Kritik des Antisemitismus ein grundlegender Bestandteil jeder linken Praxis sein muss. Eine radikale Linke, die ihren Namen verdient, muss sich gegen jede Form von Antisemitismus stellen – auch und insbesondere wenn es der neue alte Antizionismus von links ist! Unsere Kundgebung haben wir damit explizit als eine Intervention in den linken Diskurs verstanden, um das Schweigen zu durchbrechen und uns als radikale Linke mit allen Jüd*innen in Israel und weltweit zu solidarisieren. Es war eine Zeichen des Widerstands gegen den Antisemitismus von Links und die Akteur*innen, die ihn verbreiten.
So wichtig dieses Zeichen gewesen ist, war uns jedoch von Anfang an bewusst, dass es mit einer einzigen Kundgebung nicht getan ist. Deswegen haben wir beschlossen, unsere gemeinsame Arbeit gegen Antisemitismus zu verstetigen und uns als „Initiative 7. Oktober Frankfurt“ gegründet. Denn der 7. Oktober war es, der mit schmerzlicher Gewalt gezeigt hat, dass der Kampf gegen Antisemitismus eine gigantische Leerstelle in der Frankfurter Linken darstellt. Diese wollen wir schließen und mit unserer Initiative eine kontinuierliche Praxis entwickeln. Dazu gehört für uns eine aktive Erinnerungskultur sowie der Kampf gegen wirklich jede Form von Antisemitismus! Unser Ziel ist es dabei nicht nur den Antisemitismus der Rechten und Nazis anzugreifen und den gesamtgesellschaftlichen Antisemitismus der bürgerlichen Mitte immer wieder zu problematisieren. Unsere politische Arbeit richtet sich auch explizit gegen das Problem des islamistischen Antisemitismus – denn dieser ist ein blinder Fleck im Frankfurter Antifaschismus. Wir wehren uns dabei gegen die weit verbreitete Tendenz Antisemitismus und Rassismus gegeneinander auszuspielen.
Wir wenden uns gegen die pauschalen Rassismusvorwürfe, mit denen die Kritik von insbesondere israelbezogenem Antisemitismus immer wieder abgewehrt wird. Aber wir wenden uns auch deutlich gegen die Instrumentalisierung eines vermeintlichen Kampfes gegen Antisemitismus für rassistische Polizeipraktiken, Abschottungspolitik und Abschiebungsphantasien. Zu guter Letzt wollen wir als linke Initiative aber auch zur Selbstreflexion in der eigene Bewegung anregen und uns gegen den Antisemitismus in unseren Reihen stellen – als solidarische Kritik an unseren eigene Genoss*innen, aber auch als klarer Trennungsstrich gegen offen antisemitische Gruppen.
Als Initiative 7. Oktober Frankfurt sagen wir: Der Kampf gegen jeden Antisemitismus und die Solidarität mit Betroffenen antisemitischer Gewalt muss linker Konsens sein!