Am 9. Oktober 2024 organisierte das Offene Antifa Treffen eine Kundgebung zum 5. Jahrestages des antisemitischen Anschlags von Halle. Im Vorfeld kam es dabei zu antisemitischen Vorfällen, bei denen Plakate für diese Gedenkkundgebung an linken Orten abgerissen wurden. Trotz viel Regen kamen rund 60 Antifaschist*innen zur Kundgebung und gedachten Jana L., Kevin S. und allen Betroffenen von rechtem und antisemitischem Terror. Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag:
Heute erinnern wir an den antisemitischen Anschlag von Halle vor 5 Jahren, bei dem ein Faschist versucht hat das größte antisemitische Massaker seit der Shoah in Deutschland anzurichten – er scheiterte daran 51 Juden*Jüdinnen zu ermorden nur, weil die massive Tür der Synagoge, gegen die er schoss, standhielt.
Doch heute müssen wir auch an den 7. Oktober erinnern, der sich vor 2 Tagen zum ersten Mal jährte. Dort begingen islamistische Terroristen und ihre Verbündeten das größte antisemitische Massaker seit der Shoah. Sie ermordeten fast 1.200 Menschen, vergewaltigten, folterten und verschleppten 251 Geiseln in den Gaza-Streifen. 101 Geiseln sind dort bis heute. Deshalb sagen wir: #bringthemhomenow
Wer heute also über Antisemitismus sprechen will, muss über den 7. Oktober reden. Denn das Massaker vom 7. Oktober hat in aller Deutlichkeit gezeigt, was die letzte Konsequenz des Antisemitismus ist: Jeder Antisemitismus – auch wenn er sich selbst als Antizionismus adelt – zielt am Ende auf die Vernichtung von jüdischem Leben.
Den alltäglichen Antisemitismus – von Anfeindungen und Boykottaufrufen über öffentliche Feindmarkierungen bis hin zur physischen Gewalt – müssen wir stets vor dem Hintergrund dieser ultimativen Drohungen sehen. Antisemit*innen wollen den Tod von Juden*Jüdinnen und seit dem 7. Oktober erleben wir wieder Antisemitismus auf Weltniveau. Deshalb können wir nicht über Halle sprechen, ohne auch über den 7. Oktober zu reden.
Die ideologischen Parallelen zwischen dem 7. Oktober und dem antisemitischen Anschlag von Halle sind nicht zufällig. Beide teilen eine Vielzahl an Aspekten, die uns bewusst werden müssen, wenn wir Antisemitismus verstehen und bekämpfen wollen.
Das Ziel sowohl des Halle-Anschlags als auch des Massakers vom 7. Oktober war die Ermordung von so vielen Juden*Jüdinnen wie möglich und in beiden Fällen hatte explizit die Ermordung von Zivilist*innen oberste Priorität – denn antisemitischer Terror kennt keine Unschuldigen und keine Wehrlosen, er kennt keine Gnade, sondern nur die unterschiedslose Vernichtung von jüdischem Leben.
Dabei streamten sowohl der Täter von Halle also auch die islamistischen Mörder ihre Taten live. Sie wollten ihre Grausamkeit nicht verheimlichen, sondern offen der Welt verkünden, was sie taten und zum Nachahmen aufrufen. Damit sendeten sie eine Botschaft, nicht nur an ihre Glaubensbrüder und Kameraden, sondern vor allem an alle Juden*Jüdinnen weltweit. Eine genozidiale Botschaft des Terrors, die allen jüdischen Menschen zu verstehen geben soll, dass sich diese Massaker jederzeit und überall wiederholen können. Wenn Antisemit*innen heute Israel vorwerfen, einen Genozid zu begehen, sollte wir uns stets bewusst machen, dass sie das tun, weil sie in ihrem Antizionismus selbst einen Genozid an Juden*Jüdinnen planen.
Aber der Judenhass kommt selten allein. Antisemit*innen sind in der Regel auch Rassist*innen und umgekehrt. So wie der faschistische Attentäter von Halle gegen Migrant*innen hetzte und nach seinem Scheitern an der Synagoge zu rassistischen Ermordungen überging, so hetzen IslamistInnen gegen Kurd*innen, Ezid*innen und andere Minderheiten – auch deshalb ermordeten die Hamas und ihre Verbündeten am 7. Oktober neben Juden*Jüdinnen auch Drus*innen, Beduin*innen und thailändische Gastarbeiter*innen. Alle Rassist*innen leben in einer Welt des wertigen und unwertigen Lebens, in einer Welt von klar getrennten völkischen Identitäten. Wo gegen dieses zweidimensionale Weltbild aufbegehrt wird, machen sie jüdische Menschen für Emanzipation und sogenanntem Multikulturalismus verantwortlich. Hier reichen sich Antisemitismus und Rassismus die Hand.
Zuletzt standen sowohl der Anschlag von Halle als auch das Massaker vom 7. Oktober im Zeichen einer zutiefst antifeministischen und misogynen Ideologie. Der Täter von Halle verkündete in seinem Manifest offen, dass sein Hass auf Frauen ein wichtiger Motivationsgrund für seine Tat war. Die Misogynie der Islamisten zeigt sich hingegen in der schier unvorstellbaren Grausamkeit ihrer sexualisierten Gewalt am 7. Oktober. Die Täter sind in beiden Fällen Männer und das Problem heißt in beiden Fällen Patriarchat und beide sehen den Feminismus als ein jüdisches Übel. Wer das Patriarchat bekämpfen will, muss dem Antisemitismus den Kampf ansagen. Die Kämpfe für eine befreite Gesellschaft ohne patriarchale Gewalt werden scheitern, solange sie nicht gemeinsam und in Solidarität mit Jüdinnen* geführt werden.
Statt dem Leben und der Emanzipation, predigen Faschos und IslamistInnen einen Todeskult, für den sie sich selbst und andere bereitwillig opfern. Doch wir wollen leben, wir wollen das gute Leben für alle und darum müssen wir uns erinnern, an Halle und an den 7. Oktober. Wir müssen uns daran erinnern, dass jede Form von Antisemitismus Schmerz bedeutet. Wir müssen uns daran erinnern, dass Antisemitismus Hand in Hand mit Rassismus und Misogynie geht. Wir müssen uns daran erinnern, dass wir gemeinsam gegen jeden Antisemitismus und für das Leben kämpfen müssen.