Antifa-Kneipe im Mai: Jüdische Selbstbehauptung in der frühen BRD

26.05. Vortrag & Diskussion: “Wir sind gerettet, aber nicht befreit” – Jüdische Selbstbehauptung in der frühen BRD mit Michael Sturm

In den unmittelbaren Nachkriegsjahren und in der frühen Bundesrepublik waren die Überlebenden der Shoah vielfach weiterhin mit antisemitischer Ausgrenzung, Marginalisierung und Kriminalisierung konfrontiert. Der allenthalben bemühte Topos von der “Stunde Null” musste Jüd*innen, aber auch anderen im Nationalsozialismus verfolgten, entrechteten und ausgeplünderten Menschen angesichts der fortwährenden ideologischen und personellen Kontinuitätslinien als blanker Hohn erscheinen. Norbert Wollheim, der im IG Farben-Lager Auschwitz-Monowitz hatte Zwangsarbeit leisten müssen und seit September 1945 als zweiter Vorsitzender des Zentralkomitees der befreiten Juden in der britischen Zone amtierte, notierte in einem Brief im August 1945: “Wir sind gerettet, aber nicht befreit”, und verlieh damit den Wahrnehmungen zahlreicher Überlebender der Shoah Ausdruck.

Jüd*innen in Deutschland – wie auch andere Überlebende des nationalsozialistischen Terrors – nahmen jedoch die Zumutungen der postnationalsozialistischen Gesellschaft keineswegs widerstandslos hin. Kämpfe um Anerkennung und Selbstbehauptung wurden auf unterschiedlichen Ebenen geführt: Sie richteten sich gegen den omnipräsenten gesellschaftlichen und institutionellen Antisemitismus, der sich etwa in dominanzgesellschaftlicher Schuldabwehr, der weit verbreiteten Stilisierung von NS-TäterInnen zu “Opfern” und nicht zuletzt der aggressiven Zurückweisung von Restitutions- und Entschädigungsforderungen spiegelte. Orte und Schauplätze des Widerstands und des Protests gegen die postnationalsozialistischen Verhältnisse waren beispielsweise die Camps, in denen zahlreiche Überlebende der Shoah aus ganz Europa als so genannte ‘Displaced Persons’ lebten – wie etwa auch im Frankfurter Stadtteil Zeilsheim.

Bezeichnenderweise sind diese Kämpfe und Proteste im Kontext einer hegemonialen Erinnerungskultur, die stark vom Paradigma der “Versöhnung” und der Behauptung einer vermeintlich “erfolgreichen Vergangenheitsbewältigung” geprägt ist, zumindest in der Dominanzgesellschaft weitgehend in Vergessenheit geraten.

Der Historiker Michael Sturm (Münster) beschäftigt sich mit der Protestgeschichte der Bundesrepublik, der Geschichte der extremen Rechten, Erinnerungskulturen im lokalen, nationalen und transnationalen Kontext.

Antifa-Kneipe – Jeden letzten Freitag im Monat | ab 19 Uhr | Café Kurschlusz

Für eine verlässliche Konstante im Leben organisieren wir einmal im Monat die Antifa-Kneipe in Frankfurt. Immer am letzten Freitag heißen wir euch dafür am Tresen des Café Kurzschlusz willkommen. Ab 19 Uhr beginnen wir mit Vorträgen und Diskussionen zu verschiedenen antifaschistischen Themen – hier wollen wir Analysen und Recherchen über die extreme Rechte vorstellen, Einblicke in aktuelle Theoriedebatten ermöglichen und unterschiedliche linksradikale Akteur*innen zu Wort kommen lassen. Anschließend freuen wir uns auf einen gemütlichen Kneipenabend mit kalten Getränken, musikalischen Hits sowie guten Genoss*innen – und natürlich eurer Lieblingsantifa <3